Dolomitenalbum

„Dolomiten? Ach, ihr fahrt nach Südtirol.“
Stimmt – aber es stimmt nur zufällig.
Die Dolomiten, ein Teil der südlichen Kalkalpen, werden in Deutschland oft mit Südtirol gleichgesetzt und umgekehrt auch Südtirol mit den Dolomiten. Beides stimmt nicht.

Üblicherweise werden – aus geologischer Sicht eher großzügig – als Grenzen der Dolomiten angegeben: im Norden das Pustertal, im Osten das Sextental, Kreuzbergpass und Piave, im Süden wiederum der Piave, die Verbindung Feltre–Enego und das Valsugana, im Westen Etsch und Eisack. Somit verteilen sich die Dolomiten im Wesentlichen auf drei italienische Provinzen: Südtirol, Trentino und Belluno. Zu Südtirol gehört nur etwa ein Drittel der Dolomiten, deren nordwestlicher Bereich. Er liegt im Südosten der Provinz und macht nur gut ein Viertel der Gesamtfläche Südtirols aus (siehe Karte). Die zu den beiden anderen Provinzen gehörigen Dolomitenregionen sind von jeher italienisch geprägt.

Dolomiten

Dass im deutschsprachigen Raum viele mit den Dolomiten nur den Südtiroler Teil verbinden, hat historische Gründe. Südtirol gehörte bis zum Ersten Weltkrieg zu Österreich. Daher ist Deutsch im Südtiroler Teil der Dolomiten die vorherrschende Sprache. Halt, auch das stimmt so nicht. Denn da gibt es, mitten in den Dolomiten, die Ladiner. Die haben ihre eigene Sprache. Und dort, in Ladinien, finden wir es am schönsten.

Wir zeigen hier nur eine sehr kleine Auswahl unserer Fotosammlung, die in über drei Jahrzehnten beträchtliches Ausmaß angenommen hat. Nach Art der Motive haben wir sie ein wenig unterteilt (Schaltflächen unten). Auch hier gilt aber, dass wir viele Bilder noch nicht in digitalisierter Form vorliegen haben. Teilweise haben wir in früheren Jahren auch Schwarzweißfotos gemacht, um sie selbst entwickeln und vergrößern zu können.

Wer an einigen weiteren Informationen über die „Bleichen Berge“ interessiert ist, kann auch erst einmal weiterlesen.

Wissenswertes in Kürze

Geologisches
Die Begrenzungsangaben der Dolomiten haben wir oben als geologisch eher großzügig bezeichnet. Der Name dieser Gebirgsgruppe leitet sich von der besonderen Gesteinsart ab, aus der sie hauptsächlich besteht, dem Dolomit. Im Gegensatz zu normalem Kalkstein (Kalziumkarbonat) enthält dieser einen hohen Magnesiumanteil (Kalziummagnesiumkarbonat). Somit müsste man im engeren, geologischen Sinn nur diejenigen Gebietsbereiche als Dolomiten bezeichnen, die diese Eigenschaft aufweisen. Denn um auf die ersten Berge aus Dolomitgestein zu treffen, muss man sich in der Regel von den genannten Grenzen her einige Kilometer ins Innere des Gebietes begeben, auch wenn sie oft schon aus großer Entfernung sichtbar sind.
Benannt sind die Dolomiten nach Gratet Deodat de Domilieu, einem abenteuerlustigen französischen Weltreisenden des ausgehenden 18. Jahrhunderts, den man im heutigen Sprachgebrauch wohl als Hobbyforscher bezeichnen würde. Im eigentlichen Sinn entdeckt hat er die Dolomiten natürlich nicht, aber er hat die Besonderheit des Gesteins erkannt und dessen chemische Zusammensetzung dokumentiert.
Ihre Besonderheit als Gebirgsformation verdanken die Dolomiten den klimatischen und geografischen Bedingungen des Erdmittelalters. In dieser Zeit befand sich im heutigen Dolomitenraum ein flaches subtropisches Meer mit starker Sedimentbildung und später mächtigen Korallenriffen. Durch rege Vulkantätigkeit kam es immer wieder zu Naturkatastrophen, in deren Folge die Meeresfauna abstarb und versteinerte. Demzufolge präsentieren sich die Dolomiten heute, nach der Auffaltung der Alpen, als gewaltige versteinerte Korallenriffe mit teilweise bizarren Formen, wobei auch Anteile von Sediment- und vulkanischem Gestein sowie viele Fossilien die Entstehungsgeschichte widerspiegeln.

Bevölkerung und Sprache
Wie schon erwähnt, teilen sich mehrere Bevölkerungsgruppen den Dolomitenraum. Dementsprechend finden wir hier auch mehrere Sprachen. Die Bevölkerung Südtirols ist aufgrund der bajuwarisch/österreichischen Besiedlungsgeschichte großenteils deutschsprachig. Versuche, die Region, die mit dem Ende des Ersten Weltkriegs Italien zugesprochen wurde, sprachlich und kulturell vollständig zu italianisieren, stießen auf großen, teilweise auch gewaltsamen Widerstand. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts stellte Südtirol in Italien einen Unruheherd dar. Seit 1972 genießt es, wie auch das Trentino, einen Sonderstatus als autonome Provinz. In Südtirol gilt in öffentlichen Belangen Zweisprachigkeit. Das Trentino war vormals ebenfalls ein Teil Tirols und damit Österreich-Ungarns, war jedoch vorwiegend italienischsprachig (Welschtirol). Das Belluno war als Provinz immer schon italienisch. Provinzübergreifend wird in bestimmten Gebieten der Dolomiten ladinisch gesprochen. In Südtirol wird es inzwischen offiziell als dritte Landessprache geführt. Zu den ladinischen Gebieten im Folgenden mehr.

Ladinien
Mitten in den Dolomiten lebt eine Volksgruppe, die ihre eigene, dem Rätoromanischen zugehörige Sprache und Kultur hat: die Ladiner. Sie bewohnen die oberen Bereiche der vier Täler, die auf den Gebirgskomplex der Sella zulaufen – Gader-, Grödner-, Fassa- und Buchensteintal (ladinisch: Val Badia, Gherdëina, Fascia und Fodom) –, sowie den Bereich um Cortina d'Ampezzo (Anpezo). Eine kleine Enklave befindet sich außerdem noch weiter südlich im Cadore bei Colle Santa Lucia.
Ladinisch wird gemeinhin als eine neulateinische Sprache angesehen, sogenanntes Volkslatein, das sich nach der Eroberung durch die Römer (15 v. Chr.) in den folgenden Jahrhunderten im gesamten Alpenraum herausgebildet hat. Insofern kann man die rätoromanischen Volksgruppen als die eigentlichen Ureinwohner der Alpen bezeichnen. Im Zuge der Völkerwanderung und später der Tiroler Verwaltungshoheit blieben davon nur Sprachinseln übrig, die sich in abgeschiedenen Lagen erhalten konnten. Neben Dolomiten-Ladinien sind dies Graubünden in der Schweiz und Friaul im Nordosten Italiens. Viele ladinische Worte erinnern auch an Französisch.
Ladinisch ist keine Schriftsprache, es wurde durch die Jahrhunderte nur mündlich am Leben gehalten. Daraus resultierten Dialekte, die von Tal zu Tal unterschiedlich sind. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts besannen sich die Ladiner immer mehr zurück auf ihre kulturelle Eigenständigkeit. Um den Erhalt der Sprache auch in heutiger Zeit zu sichern, versucht man seit einigen Jahrzehnten eine einheitliche Schriftsprache voranzutreiben.
Wie die Dolomiten selbst, so verteilen sich auch die ladinischen Gebiete auf die drei Provinzen, deren Grenzen auf der Sella zusammentreffen. Val Badia und Gherdëina gehören zu Südtirol, Fascia zum Trentino, Fodom, Anpezo und Colle Santa Lucia zum Belluno.
Eine Folge dieser unterschiedlichen Zugehörigkeit war, dass die Ladiner vom Schrecken des Ersten Weltkriegs, der im Dolomitengebiet mit großer Heftigkeit geführt wurde, besonders betroffen waren. Naturgemäß fanden die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen österreichischen Kaiserjägern und italienischen Alpini im damaligen Grenzgebiet der beiden Länder statt. Das bedeutete für den Dolomitenraum, dass die ladinischen Gebiete in besonderem Maße von Zerstörung betroffen waren und sich auf Seiten der Ladiner nicht selten Verwandte in den feindlichen Lagern gegenüberstanden.
Die Folgen des Ersten Weltkriegs, weit mehr als die des Zweiten Weltkriegs, sind heute noch in den Dolomiten sichtbar. Teilweise wurden feindlich besetzte Berggipfel unterminiert und in die Luft gesprengt. Berüchtigte Beispiele sind der Col di Lana (seitdem auch Col di Sangue – Blutberg – genannt) und der Kleine Lagazuoi.

Col di Lana
Col di Lana (links), im Hintergrund die Marmolada.

Noch heute stößt man in den Dolomiten vielfach auf die Reste alter Stellungen, die als Mahnmale dort belassen wurden. Einige der traurigen Hinterlassenschaften des Krieges ließen sich später einer sinnvollen Verwendung zuführen. Alte Kriegssteige wurden restauriert und machen heute als Klettersteige so manchen Gipfel erreichbar. Viele Transportwege, die im Ersten Weltkrieg zu rein militärischen Zwecken angelegt wurden, sind heute Straßen, die das Dolomitengebiet verkehrstechnisch erschließen.

Tre dita
Tre Dita, Reste der Kaiserjäger-Stellung zwischen Tofana di Rozes und
Tofana di Mezzo.


Kulturelles
Aufgrund der schwierigen Lebensverhältnisse in Gebirgslandschaften bestritten die Bewohner der Dolomiten, wie in vergleichbaren Regionen auch, ihr Leben in der Vergangenheit im Wesentlichen als Bergbauern. Vor allem die Talhänge wurden landwirtschaftlich kultiviert. In den Talorten war meistens Handwerk vertreten. Man unterstand der Herrschaft und Gerichtsbarkeit weltlicher Adeliger und kirchlicher Würdenträger, die je nach politischer Lage wechselten und oft miteinander im Streit lagen. Das Leben der einfachen Bevölkerung gestaltete sich mühsam und nach unseren heutigen Gesichtspunkten ärmlich. Die Schwierigkeit, den Lebensunterhalt als Bergbauern zu erwirtschaften, lässt sich heute noch beobachten. Maschinen erleichtern zwar mittlerweile die Arbeit, lassen lassen sich in den oft steilen Hanglagen jedoch nicht immer einsetzen.

Arbeit am Wiesenhang
Wiesenwirtschaft in steilem Gelände.

Mit dem Berg- und vor allem Wintersporttourismus der letzten Jahrzehnte änderte sich in wirtschaftlicher Hinsicht vieles. Positiv für die Einwohner: Eine Vielzahl von Übernachtungsquartieren, Hotels mit hohem Standard und wachsende Infrastruktur brachten durch den Tourismus Wohlstand und ermöglichten vielen ein leichteres Leben – eine Chance, die verständlicherweise genutzt wurde. Die Kehrseite der Medaille: So mancher Hof wird nicht mehr im ausreichenden Maß bewirtschaftet, auch wenn beispielsweise in Südtirol die Landflucht weniger ausgeprägt ist als in anderen Agrar-Regionen. Blühende Bergwiesen mit ihrer Pflanzenvielfalt sind Kulturland. Werden sie nicht mehr auf traditionelle Art landwirtschaftlich genutzt, verarmt die Vegetation. Auch eine in früheren Zeiten nicht gegebene Überdüngung der Wiesen mit Gülle trägt dazu bei. Neben dem kulturellen Verlust drohen Umweltschäden. An der Zerstörung der Landschaft – Wintersportfreunde werden diese Feststellung nicht so gern zur Kenntnis nehmen – ist auch die Vielzahl von Abfahrtspisten beteiligt. Wer je im Sommer auf einen Wanderweg geriet, der über die öden Grasnarben solcher Pisten führte, der weiß, wovon wir reden. Inwieweit die intensive touristische Nutzung an sich schon der Natur schadet, ist eine weitere Frage.

Die unterschiedlichen ethnischen Gegebenheiten im Dolomitenraum spiegeln sich auch in Unterschieden der traditionellen bäuerlichen Architektur und Siedlungform wider. Im deutschsprachigen Südtirol bestimmt der Einzelhof das Bild, oft auch – vor allem im Pustertal – in Form eines Paarhofs mit Trennung von Wohn- und Wirtschaftsgebäude. In italienischsprachigen Regionen finden wir vielfach eine Bebauung, die trotz aller Bergbauern-spezifischen Ausprägung südliche Einflüsse erkennen lässt.
Eine Sonderstellung nehmen wiederum die ladinischen Höfe ein, für die es besonders im Val Badia viele Beispiele gibt. Auch hier gilt das Prinzip der strikten Trennung zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäude, die einander nach Größe und Baustil oft sehr ähnlich sind. Im Erdgeschoss des Wirtschaftsgebäudes ist der Stall untergebracht, im Obergeschoss der Heuschober, der aufgrund der Hanglage der Gebäude von der Bergseite über eine Stadelbrücke gut zugänglich ist. Typisch für die ladinische Bauweise sind die holzverkleideten Söller, die wie geschlossene Balkone, in der Regel mit talseitigen Öffnungen, den oberen Teil der Gebäude ausladend umlaufen und diesen damit eine Art Pilzform verleihen.

Gebäudebeispiel
Weiler Pransarores in Badia. Im Hintergrund ein Neubau, der dem traditionellen Baustil angeglichen ist.

Im Gegensatz zu den Südtiroler Einzelhöfen sind die ladinischen Höfe meistens zu mehreren in Weilern, den Viles, zusammengeschlossen. Ursprünglich dürften sich diese Weiler teilweise auch durch Erbteilung gebildet haben, die allerdings heute nicht mehr erlaubt ist, um die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Höfe nicht zu gefährden. Typischerweise stehen die Gebäude dicht gedrängt, je nach landschaftlichen Gegebenheiten oft kreis- oder fächerförmig um einen kleinen Dorfplatz gruppiert, der ebenso wie einige Nutzbauten (Backhäuser, Mühlen usw.) gemeinsam genutzt wird. In einigen Weilern findet man auch kleine Kapellen. Die Viles bestehen aus bis zu zehn, bisweilen sogar mehr Gebäuden und wirken manchmal schon wie eigenständige kleine Dörfer.

Weiler in Badia
Die zu Badia gehörenden Weiler Sotgherdëina (links), Pescol (oben rechts) und Jusciara (unten rechts).

Die Dolomiten sind auch ein Land der Sagen und Legenden, denen die Besonderheit dieser Gebirgslandschaft sicherlich Vorschub geleistet hat. Am bekanntesten ist wohl die Sage vom Zwergenkönig Laurin und seinem Rosengarten, die sich mit dem Gebirgszug Rosengarten verbindet. Viele Sagen sind auch im ladinischen Bereich zu finden, wie die vom Reich der Fanes, auf die in der gleichnamigen Gebirgsgruppe noch Bezeichnungen wie „Der versteinerte Faneskönig“ und „Kastell der Fanes“ verweisen, die Sage von der Königstochter Dolasilla oder die Legenden, die sich um den Grafen von Prack als Drachentöter Gran Bracun ranken.

                                                                                                           

Hintergrund Selgersdorf Dolomitenkarte